Di, 23.04.2024 , 08:29 Uhr

Baden-Württemberg: Gewalt an Schulen nimmt zu - Lehrer fordern mehr Sozialarbeiter

Körperverletzungen, Bedrohungen und Raub: Das Spektrum von Straftaten an Schulen ist breit. Die Zahlen liegen mittlerweile deutlich über denen vor der Corona-Krise.

Stuttgart. Die Zahl der Gewalttaten an Schulen hat laut Innenministerium zugenommen: So wurden im vergangenen Jahr 2545 entsprechende Straftaten gegenüber Schülern und Lehrern in Baden-Württemberg erfasst. Im Vorjahr waren es noch 2243 – eine Zunahme um 13,5 Prozent. Die Zahl der Opfer stieg dabei auf 2838 im vergangenen Jahr: 141 Lehrkräfte und 2697 Schülerinnen und Schüler. Im Jahr zuvor waren es noch 2557 Opfer.

Die meisten Straftaten sind laut Sicherheitsbericht Rohheitsdelikte: Rund 52 Prozent entfallen auf vorsätzliche leichte Körperverletzungen sowie etwa 16 Prozent auf gefährliche Körperverletzungen. Rund 18 Prozent sind Bedrohungsdelikte. Weil sich Täter und Opfer in den meisten Fällen kennen würden, liege die Aufklärungsquote auf einem sehr hohen Niveau, heißt es im Sicherheitsbericht.

Zwei Schüler seien im vergangenen Jahr getötet worden. Fünf Schülerinnen und 25 Schüler seien schwer verletzt worden. Rund 56 Prozent der Opfer seien leicht verletzt worden, rund 41 Prozent nicht.

So sorgte im November der mutmaßliche Mord an einem 15-jährigen Schüler in Offenburg überregional für Entsetzen. Ein Gleichaltriger muss sich deswegen seit vergangener Woche vor Gericht verantworten. Die Anklage wirft dem mutmaßlichen Angreifer, der in Untersuchungshaft sitzt, Mord und versuchten Mord vor. Er soll mit einer Pistole in seiner Schule in Offenburg auf den Mitschüler geschossen haben. Das Opfer starb im Krankenhaus. Ein Motiv für die Gewalttat ist bisher nicht deutlich geworden.

Bei der Frage nach den Gründen für die gestiegene Zahl der Gewalttaten verweist das Kultusministerium auf die Corona-Pandemie. «Als die Schulen geschlossen waren, konnten dort natürlich auch keine Straftaten begangen werden», teilte ein Sprecher mit. «Jetzt pendeln sich die Zahlen wieder auf einem Normalniveau ein.»

Allerdings liegen die Zahlen deutlich über denen aus dem Jahr 2019 – dem letzten Jahr vor der Pandemie. So wurden damals 1975 Fälle von Gewalt an Schulen und 2330 Opfer erfasst.

Das Innenministerium äußert sich nicht zu Gründen für den Anstieg. Im Sicherheitsbericht heißt es lediglich: «Kinder und Jugendliche, welche laut Studien erhöhte Belastungen als Folge der Covid-19-Pandemie nachweisen, bilden mehr als acht von zehn der Tatverdächtigen von Gewalt an Schulen ab.» Eine Sprecherin betonte auch, dass die Bevölkerung stärker sensibilisiert sei und Opfer von Gewaltverbrechen eher Anzeige erstatten würden.

Die Lehrergewerkschaft GEW verweist auch auf eine bundesweite Zunahme von Jugendgewalt und auf eine zunehmende Gewalt über soziale Medien, über Kommunikationsplattformen. Dort gehe es um verbale und psychische Gewalt vor allem zwischen Jugendlichen – aber auch zwischen Schülern und Pädagogen, sagte Landesgeschäftsführer Matthias Schneider. Er bezeichnet den allgemeinen Anstieg der Zahlen als «besorgniserregend». Zudem gebe es sicherlich viel, was nicht an die Öffentlichkeit gerate und die Schulen versuchten, selbst zu regeln.

Die GEW fordert Schulsozialarbeit an allen Schulen – auch an Grundschulen. «Es muss nicht eine ganze Stelle sein – aber zumindest stundenweise», sagte Schneider. Außerdem werde das Angebot von Schulpsychologen nach solchen Gewalttaten als sehr hilfreich wahrgenommen. «Aber es reicht bei Weitem nicht aus, was wir da an Personal in dem Bereich zur Verfügung haben.»

Das Kultusministerium verweist unter anderem auf speziell geschulte Präventionsbeauftragte, die Schulen Fortbildungen zum Bereich Gewaltprävention anbieten. Zudem würden 1550 Beratungslehrkräfte Schülerinnen und Schüler sowie Eltern beraten und ihre eigenen Kollegen etwa bei leichteren Fällen von Mobbing unterstützen. Auch gebe es 28 Schulpsychologische Beratungsstellen im Land. Zusätzlich biete die Polizei Unterrichtsbesuche und Aufklärung über Gewalttaten für Schüler, Eltern und Lehrer an. (dpa)

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