Stuttgart/Kehl. Sie rücken bei Feuer an, sie retten Menschen aus dem Wasser und aus Wohnungen – Feuerwehrleute begeben sich in diesen Situationen auch immer selbst in Gefahr, einige verlieren dabei ihr Leben. Doch der Ton ihnen gegenüber seitens der Bevölkerung wird rauer, ähnlich wie es die Polizei erlebt. «Manche sehen die Feuerwehrleute in Uniform als Teil der Staatsmacht», sagt Andreas Wersch, Vorstandsmitglied im Landesfeuerwehrverband.
Der Verband veranstaltet vom 14. bis zum 23. Juli in Kehl den Landesfeuerwehrtag. Diesen gibt es nur alle fünf Jahre – die vorigen wurden von Heidelberg (2018), Stuttgart (2013) und Ulm (2008) ausgerichtet. Dabei stellen sich die Feuerwehren aus ganz Baden-Württemberg und dem Elsass in all ihren Facetten vor und werben damit für ehren- und hauptamtliches Engagement in der Hilfsorganisation. Fahrzeuge, Technik, Leistungswettbewerbe und Informationen rund um die Feuerwehr werden präsentiert.
Zwar gebe es in Baden-Württemberg nicht die massiven Angriffe auf Feuerwehrleute wie in einigen anderen Bundesländern, sagte Wersch. Jedoch komme es auch im Südwesten immer wieder zu Vorfällen. «Bei einer laufenden Reanimation wurde mal mit einer Silvesterrakete gezielt auf den Rettungswagen geschossen», erzählt Wersch, der selbst seit mehr als 40 Jahren Feuerwehrmann ist.
In Kehl (Ortenaukreis) wurde in der vergangenen Silvesternacht ein Feuerwehrmann mit einem Feuerwerkskörper beschossen. Der dortige Leiter des Brand- und Bevölkerungsschutzes und Feuerwehrkommandant Viktor Liehr sagt dazu: «Bei künftigen Silvesternächten werden wir unsere Taktik anpassen und mit mehr Personal in den Einsatz gehen.»
Wersch zufolge hat die Anzahl der Einsätze bei der Feuerwehr deutlich zugenommen. So gebe es jetzt beispielsweise fast überall Brandmeldeanlagen. «Das erhöht die Zahl der Einsätze, auch wenn es manchmal Fehlalarme sind.» Und immer mehr Aufgaben wie die Bereiche Gefahrenstoffabwehr und Umweltschutz kämen hinzu. «Jetzt haben wir eine Vielzahl von Gefahrguteinsätzen. Das gab es in diesem Maße nicht so.» Deswegen werde auch die Aus- und Fortbildung intensiver, zeitaufwendiger, vielfältiger und teurer.
Gegen Vorfälle wie den in Ratingen (Nordrhein-Westfalen) sei man nicht gefeit, sagt Wersch. Einsatzkräfte waren dort am 11. Mai wegen eines überquellenden Briefkastens und Verwesungsgeruchs unter dem Stichwort «hilflose Person» zur Wohnung eines 57-Jährigen gerufen worden. Polizei und Feuerwehr trafen auf einen verwahrlost wirkenden Mann, der ihnen Benzin entgegengeschleudert und gezündet haben soll, als sie seine Wohnungstür öffneten. In der Wohnung stießen Einsatzkräfte später auf die teilweise skelettierte Leiche seiner Mutter, die in einem Rollstuhl saß. Für die Tat sitzt der 57-Jährige Verdächtige in Untersuchungshaft.
Bei der Explosion wurden 35 Menschen verletzt. Knapp zwei Wochen später befanden sich noch drei Schwerverletzte in Lebensgefahr, wie damals NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte. Schwer verletzte Einsatzkräfte liefen seiner Schilderung zufolge nach der Explosion brennend zehn Stockwerke hinab auf die Straße. Eine Polizistin liegt weiterhin im künstlichen Koma. So etwas könne man nicht verhindern, sagt Wersch. «Das hat doch kein Mensch auf dem Schirm».
In Baden-Württemberg engagierten sich 2021 laut Feuerwehrverband knapp 114 000 Menschen bei der Feuerwehr, darunter 7700 Frauen. 2521 der Feuerwehrleute arbeiteten hauptamtlich. (dpa)