Im vergangenen Schuljahr konnten Eltern ihre Kinder wegen Corona einfach daheim online unterrichten lassen – das ist ab Mitte September nur noch sehr eingeschränkt möglich. «Für die Befreiung vom Präsenzunterricht bedarf es im neuen Schuljahr besonderer, durch ein ärztliches Attest bestätigter Gründe», sagte der Bildungsdezernent des Städtetags, Norbert Brugger. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte eine Ausrüstung aller Klassenräume an den 4500 Schulen im Land mit Luftreinigungsgeräten als Vorbedingung einer Präsenzpflicht.
«Die Kommunen müssen erst ihrer Verantwortung nachkommen und die Technik für alle Unterrichtsräume bereitstellen», sagte GEW-Landeschefin Monika Stein.
Auch mit Blick auf eine vierte Infektionswelle sei diese Sicherheitsmaßnahme immens wichtig. «Die meisten Kommunen schnarchen leise vor sich hin, obwohl es schon vor über einem Jahr klar war, dass wir solche Geräte brauchen.» Auch ohne Kenntnis der noch ausstehenden Förderrichtlinie hätten Gemeinderäte bereits vorbeugende Beschlüsse fassen können.
Ungeachtet der GEW-Forderung wird im neuen Schuljahr die Befreiungsregelung verschärft. Im vergangenen Schuljahr genügte eine formlose Abmeldung vom Präsenzunterricht durch die Eltern oder durch die volljährigen Schüler selbst. Eine Befreiung von der Präsenzpflicht ist jetzt nur möglich etwa, wenn im Falle einer Covid-19-Erkrankung mit einem besonders schweren Krankheitsverlauf für den Schüler oder für einen mit ihm eng zusammen lebenden Menschen zu rechnen ist. Nur in einem solchen Fall könne die Schulpflicht durch Fernunterricht erfüllt werden. Gewerkschafterin Stein begrüßte die Regelung. In anderen Bundesländern gebe es keinerlei Ausnahmen, was die Familien in «fürchterliche Situationen» bringe.
Der Umfang der coronabedingten Befreiungsfälle war bislang mit rund einem Prozent aller Schüler sehr gering. In diesem vom Kultusministerium im vergangenen Oktober erhobenen Wert sind nicht nur die aus gesundheitlichen Gründen Befreiten, sondern auch solche Kinder und Jugendliche enthalten, die aus dem Radar der Lehrer verschwanden. Diese wieder «einzufangen» und etwaige Lernrückstände aufzuholen, sei ein Grund für die jetzt striktere Handhabung, sagte ein Ministeriumssprecher.
Der Gesamtelternbeirat Mannheim forderte mehr Ehrlichkeit beim Thema Präsenz. Schulen im Norden Deutschlands seien wegen Corona-Ausbrüchen schon wieder geschlossen worden, sagte GEB-Chef Thorsten Papendick. «Das zeigt schon, wohin die Entwicklung geht.» Er betonte: «Die Eltern wollen Präsenz und maximale Sicherheit.» Sie hätten in der Pandemie gelernt, dass sie keine Pädagogen seien. In vielen Familien arbeiteten beide Eltern, die deshalb auf die Schulen angewiesen seien.
Letztendlich würden die meisten ihre Kinder zur Schule schicken. Der GEB hat eine Petition für die Installation von Luftfiltern in allen Unterrichtsräumen der Mannheimer Schulen gestartet.
In Baden-Württemberg ist Schülern, die weder zwei Testnachweise pro Woche noch Nachweise von Impfung oder Genesung vorlegen, der Schulbesuch verboten, ohne dass sie ein Anrecht auf Fernunterricht hätten. Ihr Fernbleiben wird als Verletzung der Schulpflicht gewertet. Wenn Überzeugungsarbeit und Ordnungsmaßnahmen wie Nachsitzen nicht fruchten, können Kommunen ein Bußgeld verhängen. Dessen Höhe liegt zwischen 5 und 1000 Euro je nach Einzelfall. Bei beharrlicher Weigerung können die Regierungspräsidien (RP) ein Zwangsgeld festsetzen. Dieses liegt nach Angaben des RP Tübingen erfahrungsgemäß zunächst im niedrigen dreistelligen Eurobereich und kann erhöht werden.
Die rund 1,5 Millionen Schüler erwartet zudem vom Schulbeginn am 13. September bis einschließlich 26. September eine Maskenpflicht – unabhängig von der aktuellen Sieben-Tage-Inzidenz. Grund: Schutz vor der Ausbreitung von Virusvarianten durch Reiserückkehrer. (dpa/lsw/asc)