Stuttgart. Das Wüten im Internet und auf offener Straße lässt auch nach der Pandemie nicht nach: Abgeordnete und Bürgermeister werden nach wie vor bedroht und beleidigt. Die Zahl der gemeldeten Hassdelikte gegen Amts- und Mandatsträger in Baden-Württemberg ist nach einem stärkeren Rückgang im vergangenen Jahr zuletzt wieder deutlich gestiegen.
Nach Angaben des Innenministeriums wurden in den ersten drei Quartalen des Jahrs 2022 insgesamt 220 Fälle verzeichnet, in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres waren es 297. «Für das Jahr 2023 deutet sich damit bislang ein Anstieg der Fallzahlen gegenüber dem Vorjahr an», sagte ein Sprecher des Innenministeriums.
Im gesamten Jahr 2021 waren 502 Taten bekannt geworden, im vergangenen Jahr waren es insgesamt 384. Einen Grund für den nun erneut steigenden Trend nannte das Innenministerium nicht. Amtsinhaber könnten bei dem Thema mittlerweile sensibilisiert sein, vermutet ein Sprecher. Sicher zu belegen sei das aber nicht.
Wer ein öffentliches Amt bekleidet oder ein Mandat ausübt, wird laut Statistik vor allem beleidigt, er oder sie könnte aber auch Sachbeschädigungen und politisch motivierten Attacken ausgesetzt sein. Die meisten dieser Taten können politisch nicht eingeordnet werden.
Beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg gibt es für alle Amts- und Mandatsträgerinnen und -träger eine zentrale Ansprechstelle, die Beratung und Unterstützung bietet. Diese soll nun leicht ausgebaut werden: «Um Betroffene noch besser zu unterstützen, ergänzen wir die Zentrale Ansprechstelle für Amts- und Mandatsträger nun um ein psychosoziales Beratungsangebot», kündigte Innenminister Thomas Strobl am Donnerstag an. Eine Psychologin in der psychosozialen Beratungsstelle werde Opfer von Straftaten emotional und bei der Bewältigung ihrer Ängste unterstützen und begleiten.
«Rote Linien werden immer häufiger überschritten», warnte auch der Präsident des baden-württembergischen Gemeindetags, Steffen Jäger. «Dieser Entwicklung beherzt entgegenzutreten ist eine entscheidende Grundlage für eine funktionierende kommunale Demokratie.» Es sei folgerichtig, die psychologische Unterstützung zu erweitern.
Der Präsident des Landkreistags, der Tübinger Landrat Joachim Walter, schaut nach vorne: «Gerade auch mit Blick auf die im kommenden Jahr anstehenden Kommunalwahlen muss klar sein, dass wir als Staat und Gesellschaft die Verrohung der politischen Debatte nicht tatenlos hinnehmen werden», sagte er. Straftaten müssten konsequent verfolgt und zur Verurteilung gebracht werden. Wer sich ehren- oder hauptamtlich für die kommunale Demokratie engagiere, müsse mit Unterstützung rechnen können.
Nach Angaben des Ministeriums sind seit Einrichtung der Ansprechstelle im Jahr 2019 rund 100 Anrufe eingegangen, bei denen Betroffenen geholfen werden konnte. (dpa)